Unsere Erkenntnisse vom UN Forum on Business and Human Rights

Das 14. UN Forum on Business and Human Rights (24-26. November in Genf) stand unter dem Motto “Accelerating action on business and human rights amidst crises and transformations”.
Mark Starmanns fasst für Swiss Fair Trade ein paar Highlight zusammen.
Der High Commissioner for Human Rights, Volker Türk, (Video ab 1h:45:00) weist in seiner Eröffnungsrede auf die vielfältigen Krisen und Transformationen hin, die eine zunehmende Herausforderung für die Achtung von Menschenrechten darstellten. Waren bei der Gründung der UNO die Staaten die Hauptakteure für Menschenrechte, so hat es eine enorme Machtzunahme auf Seiten von Unternehmen gegeben, so dass heute Einzelpersonen über mehr Macht und Ressourcen verfügen als viele Kleinstaaten – womit sie natürlich auch in einer Verantwortung stehen. Ohne eine vernünftige Regulierung könnten Menschenrechte die ersten Kollateralschäden von neuen Technologien wie GenAI werden, so Türk, denn KI-Systeme hätten das Potenzial, sich in ein modernes Frankenstein-Monster zu verwandeln. Auch im Hinblick auf die Klimakrise spielten Menschenrechte eine zentrale Rolle: Zum Beispiel erzielten Unternehmen mit Fossilen Energien immer noch massive Profite, was zu Lasten von sehr vielen Menschen gehe. Darum fragte sich Türk, ob wir später vielleicht von einem Ecozid sprechen müssen, wenn wir heute nicht hinreichend auf diese Herausforderungen reagieren? In anderen Sessions wurde betone, dass auch grüne Technologien Menschenrechte achten müssten, was oft nicht geschieht. Sehr hörenswert war in dem Zusammenhang der nur 16 jährige Franciso Vera Manzanares, der ein eloquentes Plädoyer (ab 1h:40:53) für die Beachtung von Menschen- und Kinderrechten, auch im Zusammenhang von grüner Energie hielt.
Die UZH-Professorin Christine Kaufmann (ab 2:29:00) zeigte sich überrascht über die Frage, ob die internationalen Frameworks immer noch “fit for purpose” seien, die sie oft höre. Natürlich seien sie das; das Problem einer unzureichenden Umsetzung von Menschenrechten liege gewiss nicht an den kürzlich erst aktualisierten (OECD) Standards und Guidances. Stattdessen sind die Probleme hausgemacht. Laut einer Studie geben Unternehmen vor allem zwei Antworten darauf, warum sie HRDD nicht implementierten: 1. HRDD sei nicht in “meinem” Interesse. 2. HRDD sei zu kompliziert. Unternehmen haben wie Regierungen die Wahl, ob sie Menschenrechte ignorieren oder schützen wollen. Wo sollen sie also starten? Kaufmann verweist auf Eleanor Roosevelt, welche sagte: “Human rights start in small places close to home” – damit meint sie: Mache Deine Hausaufgaben! So sollten Regierungen nicht widersprüchliche Anforderungen schaffen (was leider noch oft geschehe); und Unternehmen sollten sich erst einmal im eigenen Unternehmen umschauen: Beachte ich Menschenrechte in der Beschaffung, beim Reinigungspersonal? Haben unsere Lieferkette eine Wirkung auf indigene Bevölkerungsgruppen?
Weitere spannende Statements:
- Im Zentrum von Menschenrechten stehen die Menschen. Das klingt selbstverständlich, aber von verschiedenen Seiten wurde betont, dass man bei Diskussionen um HRDD immer wieder den Eindruck hat, dass es eher um die Unternehmen, um Indikatoren oder Daten als um die Menschen geht. Die zentrale Rolle der Menschen kann bestärkt werden, indem man sich mehr um die Wirkungen kümmert, denn diese sind werden oftmals nicht wirklich sichtbar gemacht.
- Das Push-Back gegen HRDD-Regulierung in Europe war immer wieder ein Thema – wobei Hoffnung gesehen wird, dass verschiedene Länder v.a. in Asien neue HRDD-Gesetze implementieren.
- Eine neue UNDP-Studie “Human Rights vs. Competitiveness. A False Dilemma?” gibt Argumente gegen das Push-Back. Auf Basis quantitativer Analysen von 235 Unternehmen wurde gezeigt, dass es keinen Trade-Off zwischen Menschenrechten und Wettbewerbsfähigkeit gebe – ganz im Gegenteil zeigt die Studie auf, dass Firmen mit einer besseren Menschenrechts-Performance eine bessere finanzielle Performance haben. Nicht alle auf dem Podium sahen, dass die Studie wirklich helfen kann, Politiker von HRDD-Regulierung zu überzeugen. Vielmehr sollte die Politik HRDD nicht deshalb verpflichten, weil es gut für Unternehmen ist, sondern weil es moralisch geboten sei, weil Unternehmen eine zunehmende Verantwortung übernehmen müssten. Und was, wenn weitere Studien plötzlich das Gegenteil zeigten – würden wir dann HRDD-Regulierung gänzlich abschaffen?
- In diversen Sessions wurde betont, dass HRDD kontext-spezifisch ist: Das heisst, dass jedes Unternehmen für sich im lokalen Kontext lernen muss, wie es HRDD umsetzt; one-size-fits-all Lösungen funktionierten oft nicht.
- Auf dem Forum erhoben erstaunlich viele indigene Gruppen ihre Stimme, weil diese sehr oft von Menschenrechtsverletzungen betroffen sind. Wenn man sich v.a. mit Fabriken in Lieferketten beschäftigt, ist das Thema nicht so relevant, aber sobald man sich mit der Gewinnung von Ressourcen beschäftigt, werden die Menschenrechte von indigenen Gruppen oft verletzt.
- In vielen Sessions ging es um HRDD und finanzielle Investitionen: Interessant war das Statement: Wenn ein Unternehmen behauptet, es gebe keine Menschenrechts-Verletzungen in der Lieferkette, sollte dies als negatives Zeichen für eine Investition bewertet werden. Das heisst, es fehlt ganz grundsätzlich an öffentlich zugänglichen Daten zur Umsetzung von Menschenrechten auf Unternehmensebene. Ob Menschenrechte bei einem Unternehmen umgesetzt werden oder wie Unternehmen mit Menschenrechts-Verletzungen umgegangen sind, sollte also kein Business-Geheimnis sein, sondern eine zentrale Grundlage für jede Investition.
- Neu für mich war das Schauspiel, dass jede Wortmeldung auf dem Forum, die aufzeigte, dass ein autoritäres Regime eine bestimmte Bevölkerungsgruppe unterdrücke, sofort von dem genannten autoritäten Regime als Lüge bezichtigt wurde mit dem Hinweis, man solle sachlich bleiben und sich nicht in innerstaatliche Angelegenheiten einmischen. Die Moderator:in der Session las dann einen kurzen Text zu gegenseitigem Respekt vor – und niemand sprach mehr vom Thema. Im Hinblick auf die Tatsache, dass immer mehr Regime autoritär sind, frage ich mich, wie Probleme in diesen Ländern bearbeitet werden.
Schliesslich wurde ein OHCHR Helpdesk neu lanciert, welches der Öffentlichkeit Hilfe für ihre Fragen zum Thema bietet.








