Neue ETH-Studie zeigt Potenzial nachhaltiger Beschaffung auf 

31. Oktober 2024

Neue ETH-Studie zeigt Potenzial nachhaltiger Beschaffung auf 

 

 

Die jährlichen Ausgaben der öffentlichen Hand in der Schweiz bergen ein bedeutendes Potenzial für nachhaltige Beschaffung: Auf Gemeindeebene belaufen sie sich auf satte 58 Millionen Franken. Diese Tatsache verdeutlicht eine Untersuchung im Rahmen einer Masterarbeit der ETH Zürich. Obwohl die Fair Trade-Alternativen häufig nicht teurer als herkömmliche Produkte sind, erfordert der Wandel hin zu sozial verantwortlichen Einkaufsentscheidungen verstärkte Sensibilisierung und Engagement innerhalb der Verwaltungen.

 

Wie gross das Potenzial für nachhaltige Produkte in Schweizer Gemeinden ist, wurde am Beispiel von Glarus Nord, einer typischen, durchschnittlichen Schweizer Gemeinde, und Fair Trade Produkten, die sich dank ihrer klaren Nachhaltigkeitsdefinition für eine solche Betrachtung eignen, untersucht. Ausgehend von den jährlichen Beschaffungsvolumina der Gemeinde wurde evaluiert, wo überall fair gehandelte Produkte eingesetzt werden können und welche finanziellen Folgen dies hat. Hochgerechnet auf alle Schweizer Gemeinden ergibt sich ein Potenzial von rund 58 Millionen Franken für fair gehandelte Produkte. Derzeit machen in Glarus Nord jedoch lediglich 7 % dieser Ausgaben Fair Trade-Produkte aus.

Die Analyse von Glarus Nord zeigt weiter, dass 57 % dieser fair erhältlichen Produkte auf Textilien wie Arbeitskleidung und Flachwäsche, und 42 % auf Lebensmittel entfallen. Würden Textilien, Kaffee, Kakao und exotische Früchte konsequent aus Fairem Handel bezogen, könnte bereits über 85 % des Potentials ausgeschöpft werden.

Zusätzlich bietet ein Blick auf die Verteilung des Potenzials innerhalb der Gemeindeinstitutionen aufschlussreiche Erkenntnisse: 36 % entfallen auf Alters- und Pflegeheime, 30 % auf die Gemeindeverwaltung, während jeweils rund 17 % auf technische Betriebe sowie Sport- und Freizeiteinrichtungen.

In der Debatte über das Potenzial fairer Produkte in der Verwaltung spielt das seit 1. Januar 2021 gültige Bundesgesetzes zur nachhaltigen öffentlichen Beschaffung eine entscheidende Rolle. Diese gesetzliche Grundlage fordert die öffentliche Hand unter anderem dazu auf, bei ihren Einkäufen auf sozial nachhaltig produzierte Produkte umzusteigen und Verantwortung für die sozialen Auswirkungen ihrer Kaufentscheidungen zu übernehmen. Jährlich beschaffen Bund, Kantone und Gemeinden Güter und Dienstleistungen im Wert von rund 40 Milliarden Franken.

In der Praxis scheitert jedoch häufig die Umsetzung dieses Gesetzes, obwohl die Herausforderung nicht unlösbar ist: Ein zentrales Ergebnis der Untersuchung ist, dass die Berücksichtigung des Fairen Handels nicht zwangsläufig mit hohen Mehrkosten verbunden ist. Viele etablierte Fair Trade-Produkte sind im Vergleich zu konventionellen Produkten durchaus konkurrenzfähig. Die Mittel zur Förderung des Fairen Handels müssten also nicht zusätzlich aufgewendet, sondern lediglich zugunsten fairer Produkte umgeleitet werden. Die Untersuchung hebt jedoch hervor, dass es Anstrengungen bedarf, um den Paradigmenwechsel in der Einkaufspraxis zu verankern. Als eines der Hauptprobleme wird die mangelnde Sensibilisierung der Beschaffenden identifiziert. Zudem zeigt die Analyse, dass eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Abteilungen und Gemeinden wie auch mehrdimensionales politisches Engagement erforderlich ist, um die Herausforderungen der dezentralen Strukturen zu überwinden.

Ein Schub in Richtung nachhaltige Beschaffung könnte aber neben direkten positiven Auswirkungen auch den Privatsektor sowie auf individuelle Konsument:innen zugunsten des Fairen Handels beeinflussen, dank sogenannter indirekter Spillover-Effekte. Darüber hinaus könnte die Gemeinde ihre finanziellen Mittel, beispielsweise bei Zahlungen an Vereine, an bestimmte Bedingungen knüpfen, um den Einsatz von Fair Trade-Produkten zu fördern.

Diese Resultate bieten wertvolle Einblicke für Glarus Nord und andere Gemeinden in der Schweiz hinsichtlich nachhaltiger Beschaffungspraktiken. Sie verdeutlicht, wie die öffentliche Verwaltung durch das Überdenken ihrer Einkaufsentscheidungen zum nachhaltigen Konsum beitragen und dadurch auch eine verantwortungsvolle Vorbildfunktion einnehmen kann. Die Hochrechnungen zeigen, dass die öffentliche Hand einen bedeutenden Hebel hat, insbesondere weil für die Produzent:innen jeder Franken zählt. Die Arbeit sensibilisiert für den Handlungsspielraum der öffentlichen Verwaltung und schafft Wissen über die effektive Nutzung unserer öffentlichen Gelder im Sinne der sozialen Gerechtigkeit.

 

Bei Interesse kann die Arbeit unter info@swissfairtrade.ch angefragt werden.

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